Reise mit Bischof Markus Büchel und Regierungsrat Benedikt Würth nach Moggio, 21. - 23. Oktober 2017
Eindrücke von Walter Lendi
Das schwere Erdbeben von 1976 im Friaul brachte St.Gallen und Friaul einander näher. So wurde das von Abt Ulrich von Eppenstein, Patriarch von Aquileia und Abt von St.Gallen, im Jahre 1119 gegründete Galluskloster in Moggio wiederentdeckt. Schon früh, wohl entfernungsbedingt abgerissene Beziehungen erhielten so neues Leben, auch wenn in der Abbazia von Moggio das benediktinische Leben bereits Mitte des 18. Jh. ein Ende gefunden hatte. Aber die Erinnerung daran blieb wach, der Pfarrer von Moggio trägt heute noch den Titel „Abate“ und wird mit „Monsignore“ angesprochen. Übrigens: Das auch mit St.Galler Hilfe wiederaufgebaute Kloster ist seit 1984 von Klarissen neubesiedelt. Was zählt: Die im Zuge der Erdbebenhilfe, moralisch und finanziell, geknüpften Beziehungen der Freundschaft und der gegenseitigen Wertschätzung lebten weiter, wurden gefüllt mit zahlreichen Projekten und Begegnungen. Im Jahr 2004 wurde sogar eine offizielle Partnerschaft zwischen dem Kanton St.Gallen und der Provinz Udine verbrieft. Moggio verblieb gleichwohl Stützpunkt und Hauptakteuer der Freundschaftspflege.
Schon der verstorbene Bischof Otmar Mäder fühlte sich mit der Bevölkerung von Moggio sehr verbunden, weilte mehrmals dort und sorgte durch ein Testat für die Restaurierung eines Bildstocks auf dem Anstieg zur Abbazia. Bischof Markus stellte sich gern in die Tradition der Verbindung mit Moggio. Zusammen mit Benedikt Würth, damals noch Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, reiste er im Oktober 2008, begleitet von einer Gruppe Gleichgesinnter nach Moggio, zum Fest des heiligen Gallus. Freude und Begeisterung waren gegenseitig, die Eindrücke nachhaltig. Als St.Gallen im Jahre 2012 die 1400 Jahre seit der Ankunft des Pilgermönchs Gallus in unserer Gegend feierte, unternahm eine Gruppe von rund fünfzig Personen aus Moggio und Umgebung, angeführt von Monsignor Lorenzo Caucig und Dr. Bruno Lucci, einen „Pellegrinaggio“ nach St.Gallen, zum Grab des gemeinsamen Patrons, sowie nach Arbon und Bregenz, Orten seines Wirkens. Der Einladung zu einem Gegenbesuch konnte nicht sofort entsprochen werden. Erst 2017 war es dann so weit.
Eine Gruppe von rund dreissig Personen aus Vorstand des Fogolâr Furlan sowie des Vereins Pro Friuli, zusammen mit Bischof Markus Büchel und Regierungsrat Benedikt Würth, stieg frühmorgens um sechs Uhr in St.Gallen, Goldach und Rorschach in den bequemen Bus von Salvatore Tino – vertraut und bewährt von verschiedenen Reisen des Fogolâr Furlan – und liess sich, noch immer bei Dunkelheit, Richtung Arlberg fahren. Der erst kürzlich wieder geöffnete Tunnel ersparte uns eine zeitraubende Fahrt über den Pass. An der bekannten Raststätte „Trofana Tyrol“ kommt fast niemand vorbei, so auch wir nicht, schliesslich war es auch Zeit für einen Halt. Hochbetrieb herrschte, Anstehen unvermeidlich. Kaffee oder ein anderes Getränk, zusammen mit etwas Essbaren, stärkten die Frühaufsteher. Es konnte weitergehen, an Innsbruck vorbei auf die Brennerstrasse. Die Lastwagen waren zum Glück spärlicher, es war ja Samstag, und so ging die Fahrt bei gutem Wetter flott vorwärts. Nein, nicht zu den Dolomiten wie letztes Mal, sondern das Etschtal hinunter, vorbei an Brixen, Bozen und Trient durch Obst- und Weingärten, zu dieser Zeit bereits abgeerntet, inmitten der immer wieder imponierenden Gebirgskulisse, welche das breite Tag in abwechslungsreichen Formen säumt. Ein kurzer Halt zwischen Bozen und Trient half, eingeschlafene Beine wiederzubeleben und den trockenen Gaumen zu benetzen, mit italienischem Espresso oder bereits mit einem Cüpli, wie jeder es mochte.
An Pergine mit seinem markanten Schloss vorbei gelangten wir alsdann ins Val Sugana, begrüsst von den malerischen Laghi di Caldonazzo und Levico und dem Ortigara-Gebirge, unseliges Kampfgebiet im Ersten Weltkrieg, dessen Vorstellung einen immer wieder erschaudern lässt. Nach Borgo Valsugana beginnt sich das Tal des Brentaflusses zu verengen. Wir biegen östlich ab und wechseln über einen längeren Tunnel ins Tal des Cismon und von dort zu den Wasserläufen des Piave, nach Feltre. Kurz zuvor liegt Pedavena, Ort unseres Mittagshalts in der historischen Birreria, gegründet 1897, 1974 von Heineken übernommen und 2004 mangels Rentabilität geschlossen. Ein örtliches Konsortium ergriff die Initiative, übernahm die Brauerei und führte sie zur heutigen Blüte mit verschiedenen Bieren und Speisen für jeden Gaumen. Ein Halt hier macht immer Freude.
Aber noch wartet uns ein grösseres Stück Weges. Vorbei am Gebirgsrücken Nevegal zur Rechten und an der über Felsen thronenden Stadt Belluno erreichen wir den Lago di Santa Croce und fahren hinunter nach Vittorio Veneto. In der Ebene nimmt uns die Autobahn auf, die uns an Palmanova und Udine vorbei bis zur Ausfahrt bei Osoppo führt, zum Albergo Willy in Ospedaletto (Gemona), eine Unterkunft der zweiten Wahl zunächst, weil die Festa della Zucca alles Grössere in der näheren Umgebung von Moggio belegt hatte. Aber wir wurden nicht enttäuscht. Neue, komfortable Zimmer, in den labyrinthischen Gebäudekomplexen nicht immer leicht zu finden und wiederzufinden, versprachen uns eine erholungsreiche Nachtruhe. Aber halt, das Programm des Tages war noch zu Ende. Unsere Gastgeber – Sindaco Giorgio Filaferro und Dr. Bruno Lucci waren zur Begrüssung hergekommen - hatten aus Anlass des Gallusfestes ein Konzert in der Abbazia organisiert, um 20.30, und hätten es nicht verstanden, wenn wir der Müdigkeit erlegen wären. Aber dies verhinderte ein feines und üppiges Abendessen. Gutgelaunt prosteten wir uns zu und fühlten uns bald wieder zu weiteren Taten bereit. Aufbruch um 19.45. Der Reisebus musste wegen des festbedingt verstopften Venzone einen Umweg fahren. Salvatore tat sein Bestes, wie immer, und führte uns zeitgerecht zum Aufführungsort. Auch hier Begrüssung und Wiedersehensfreude zwischen alten und neuen Bekannten.
Es erwartete uns der Coro Glemonensis (Gemona) und der Leitung von Maestro Marius Bartoccini mit einem Programm von zwölf Gesangsvorträgen geistlicher Musik. Wunderbare Vorträge, hervorragende Stimmen, eine straffe und doch gefühlvolle Führung. Wir waren begeistert, die Müdigkeit des langen Tages blieb besiegt. Aber die Zeit war fortgeschritten. Wir bestiegen rasch den Bus. Angekommen im Albergo Willy missfiel ein rascher Abschied in die Federn. Die „Taverna“ des Hotels erhielt Oberhand, riefen doch die vielfältigen Erlebnisse des Tages nach einem Schlummertrunk und einem letzten Gedankenaustausch.
Sonntag: Vom guten Schlaf und einem reichhaltigen Frühstück gestärkt machten wir uns auf den Weg nach Moggio, leider bei Regen, diesmal ohne Umwege durch Venzone.
Bischof Markus Büchel nach dem feierlichen Gottesdienst in der Abteikirche von Moggio mit Vertretern von Pro Friuli, Fogolâr Furlan, Gemeinde Moggio und Provinz Udine
In der festlich geschmückten Abbazia feierten wir mit Bischof Markus und Don Lorenzo den Heiligen Gallus, begleitet von einem hervorragenden gemischten Chor. Daran nahmen auch Honoratioren von nah und fern teil, so der Präsident der Provinz Udine, Dott. Pietro Fontanini. Bischof Markus pflegte hernach mit den Klarissen einen Gedankenaustausch.
Mons. Lorenzo Caucig, Pfarrer von Moggio Udinese und Vorstandsmitglied Pro Friuli St. Gallen, Regierungsrat Benedikt Würth, ehemaliger Präsident Pro Friuli St. Gallen, Dr. Pietro Fontanini, Präsident der Provinz Udine, Bischof Markus Büchel, Bischof von St. Gallen, Giorgio Filaferro, Gemeindepräsident von Moggio Udinese, Dr. Bruno Lucci, Vorstandsmitglied von Pro Friuli ST. Gallen
Nächster Programmpunkt war der Empfang im Municipio unter dem Vorsitz von Sindaco Giorgio Filaferro. Die Redner gaben ihrer Freude und Genugtuung über die Begegnung lebhaften Ausdruck, betonten die gegenseitige Verbundenheit und versprachen einen Neuanfang der Beziehungen, die in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen nachgelassen hatten. Geschenke wurden ausgetauscht, so neueste Publikationen über St.Gallen und Moggio. Wir St.Galler/innen wurden einzeln unter Namenaufruf mit dem Bändchen „La Vita di San Gallo“ beschenkt, einer italienischen Übersetzung auf der Grundlage der deutschen Übersetzung von Franziska Schnorr der Gallusvita des Reichenauer Mönchs Wetti. (Unser Vorstandsmitglied Dr. Bruno Lucci hatte dieses Werk 2013 auf den Weg gebracht.)
Dann aber genug der Feierlichkeiten. Es erwartete uns der nahe „Leon Bianco“ zu einem üppigen Mittagessen im Verein mit unseren Freunden aus Moggio. Gespräche, Scherze, Lachen und Wiedersehensfreude begleiteten und bestärkten unsere freundschaftliche Verbundenheit. Ja, eigentlich wollten wir am restlichen Nachmittag noch etwas Interessantes besichtigen, aber die reichgedeckte Tafel nahm uns das Zeitgefühl, und der andauernde Regen liess auch keine Aufbruchsgefühle entstehen. Überaus zufrieden und dankbar nahmen wir Abschied von unseren Freunden. Auf dem Weg zum Albergo Willy machten wir in historischen Venzone einen Halt, wo immer noch die „Festa della Zucca“ im Gange war. Der Regen hielt uns von grossen Umgängen ab, und so wärmten wir uns stattdessen in den Gaststätten, bei einem Glas Wein oder einem Kaffee mit Grappa.
Und schon wieder nahte unerbittlich das Nachtessen, je nach Gaumen und Magen mit unterschiedlichem. Die Wehmut über die bevorstehende Heimfahrt parierten wir mit einem erneuten Gang in die Taverne. Das Kofferpacken verlangte keine Eile. Und so beschlossen wir den denkwürdigen Gallustag wohlgelaunt und zufrieden.
War der Sonntag kalt und regnerisch, so zeigte sich der Montag mit blauem Himmel und Sonne. Pünktlich verliessen wir das „Willy“ in Richtung Tolmezzo und folgten dann dem Tal des Tagliamento. Aber noch hatte uns die Gelegenheit zu Einkäufen gefehlt. Unsere Freunde vom Fogolâr Furlan kannten sich aus: Ein Geschäft mit regionalen Produkten hielt das Gewünschte bereit. Mit grösseren und kleineren Paketen beladen bestiegen wir wieder unseren Bus und folgten den beinah endlosen Kurven zum Mauria-Pass. Lorenzago: Nein, Papst Benedikt war diesmal nicht anzutreffen. Durch den schier endlosen Sommer- und Winterkurort Auronzo erreichten wir das Val Ansiei, fuhren durch ausgedehnte Tannen- und Lärchenwälder, mit kurzzeitigen Blicken hinauf zu den Drei Zinnen, und erreichten schliesslich über steile Kehren den Lago di Misurina, im Sommer vielbesucht wegen seiner malerischer Kulisse, jetzt aber beinahe verlassen. Zeit für einen Halt, Kaffee und Besuch des stillen Örtchens. Weiter ging’s, vorbei an den Drei Zinnen in ihrer vollen Grösse und dann hinunter ins Höllensteintal nach Doblach und dann westwärts durchs Pustertal ins Eisackstal, an der Franzensfeste vorbei nach Sterzing. Ankunft um dreizehn Uhr, pünktlich zum Mittagessen im „Hubertushof“, einem Geheimtipp, beste Südtiroler Küche mit Portionen von einer Grösse, die einem Waldarbeiter zu schaffen machen würden. Na, wir waren ja auch ein bisschen hungrig.
Brennerpass, Innsbruck, Inntal, Arlbergtunnel, immer näher der Heimat. Melancholie schlich sich ein. Eine erlebnisreiche Reise neigte sich ihrem Ende zu. Alles war stimmig, die professionelle Reiseorganisation von Anna-Rosa Brocchetto, die sichere Fahrt von Salvatore Tino, die Feier des Heiligen Gallus in der Abbazia, die Begegnung mit unseren Freunden, Essen und Trinken, die Taverna des Hotels „Willy“ und schliesslich das Erlebnis einer nicht alltäglichen Gemeinschaft, zu deren Bildung Bischof Markus und Regierungsrat Beni durch ihre leutselige Art in besonderer Weise beitrugen. Diese Reise soll nicht die letzte gewesen sein.
6. Dezember 2017